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Interview
Am Strand in Tulum © Jan-Hendrik Stein

„Ich wollte eigentlich nie sesshaft werden.“

Seit fast neun Jahren ist die mexikanische Stadt Guadalajara die Heimat von Jan-Hendrik Stein. Hier hat er mit seiner Frau ein Business gegründet und leitet eine Online-Marketing-Agentur in Deutschland. Wieso es ihn nach Mexiko verschlagen hat, welches seine Lieblingsorte im Land sind und wie das mit der Zeitverschiebung zu Deutschland klappt, berichtet er uns im Interview.

2012 hat es dich das erste Mal, im Rahmen eines Auslandsstudiums, nach Guadalajara in Mexiko gezogen. Was hat dich dazu bewegt, gerade dorthin zu gehen?

Jan: Ich habe 2011 einen Spanischkurs gewonnen bei so einem Gewinnspiel in Valencia. Ich habe damals ganz viele Gewinnspiele gemacht und dann auch parallel noch einen Flug gewonnen, der mich nach Valencia gebracht hat. In Valencia habe ich dann zwei Wochen richtig intensiv Spanisch gelernt und fand es dann so cool, dass ich an der Hochschule in Offenburg, wo ich meinen Master gemacht habe, als Nebenkurs Spanisch gewählt habe. Dann gab es die Möglichkeit, ein Auslandssemester im Rahmen des Masters zu machen. Mexiko kam als Idee auf, denn ich dachte, Spanien wäre ein bisschen langweilig irgendwie, es ist so nah dran. Auf Mexiko hatte ich richtig Bock und es gab eine Partner-Uni in Guadalajara. Und dann war die Entscheidung gefallen und deswegen bin ich dort gelandet, wo ich jetzt immer noch lebe.

Hattest du schon während deines Studiums in Guadalajara den Gedanken, irgendwann dorthin auszuwandern?

Jan: Während des Auslandssemesters in Guadalajara habe ich meine damalige Freundin kennengelernt und wegen ihr auch noch einmal sechs Monate drangehängt. Dann habe ich hier auch noch meine Masterarbeit geschrieben. Irgendwie haben wir das hingebogen bekommen, dass ich das von hier aus machen konnte. Ich habe ein Schweizer Unternehmen gefunden, das einen Standort in Guadalajara hatte. Da es dort Mitarbeitende aus der Schweiz gab, konnte ich die Arbeit dann auch auf Deutsch schreiben.

Insgesamt war ich etwa ein Jahr hier und bin im August 2013 wieder zurück nach Deutschland gekommen. Dann hatte ich erstmal eine Fernbeziehung. Der Gedanke an Guadalajara war dadurch natürlich immer präsent, aber ich wollte erst einmal etwas Geld verdienen in Deutschland.

Wie ging es dann beruflich für dich weiter und was führte zum finalen Schritt, deine Zelte abzubrechen und deinen Lebensmittelpunkt nach Mexiko zu verlegen?

Jan: Als ich wieder in Deutschland war, mit einem Master in Medien und Kommunikation in der Tasche, habe ich mich deutschlandweit überall beworben und bin dann nach Berlin gekommen – zu einer Social Media Agentur. Ich hatte auch noch ein Angebot aus Nürnberg, aber ich wollte unbedingt mal nach Berlin.

"Für mich war entscheidend: Sobald ich mir eine bestimmte magische Zahl auf dem Konto zusammengespart habe, wage ich den Schritt, nach Guadalajara zu gehen."

Zwar hatte ich mich auch in Guadalajara auf ein paar Jobs beworben, aber da war dann das Einstiegsgehalt so dermaßen schlecht, also das waren dann 500 Euro monatlich mit Masterabschluss, und da hätte ich dann keinen Urlaub gehabt, hätte nichts zurücklegen können für irgendwelche Reisen oder so unternehmen können. Da dachte ich mir, dass dies keine Option ist. Lieber erstmal in Deutschland starten und dann dort ein bisschen Geld zurücklegen mit dem Ziel, dass ich dann irgendwann auch wieder zurück kann nach Mexiko.

Für mich war entscheidend: Sobald ich mir eine bestimmte magische Zahl auf dem Konto zusammengespart habe, wage ich den Schritt, nach Guadalajara zu gehen. Ich wollte immer eine Sicherheit haben. Diese hatte ich dann nach zwei Jahren in der Social-Media-Agentur erreicht.

Für mich war es gut zu wissen, dass jetzt eigentlich nichts schief gehen konnte, wenn ich jetzt einfach kündige. Und selbst wenn es erstmal nicht so gut läuft, habe ich immer noch einen Puffer in Mexiko für mindestens sechs Monate. Also zog ich 2015 nach Guadalajara.

Mexiko ist vor allem in den Großstädten in puncto Sicherheit nicht gerade unter den Top-Ten. Wie empfindest du es dort zu leben?

Jan: Ich habe natürlich, bevor ich nach Mexiko gekommen bin, die ganzen Reisewarnungen gelesen und war dann auch erstmal etwas beunruhigt. Und ich dachte, dass man sich nicht frei bewegen kann, man abends nicht raus kann oder extrem aufpassen muss. Im Nachhinein finde ich: Wenn man hier ist, gewöhnt man sich relativ schnell daran und passt einfach ein bisschen mehr auf. Abends gehe ich beispielsweise möglichst nicht alleine durch irgendwelche dunklen Gassen, sondern nehme mir ein Uber. Ich bin immer ein bisschen aufmerksam.

Wenn ich alleine unterwegs bin, auch tagsüber, und ein Motorrad hinter mir höre, das sich annähert, schaue ich mich erstmal um und wenn ich dann sehe, das ist ein Uber-Delivery oder so, dann weiß ich: Ah, okay, Entwarnung. Ich schaue eben immer, was es für ein Motorrad ist, wie die Leute aussehen, und dann kann ich es relativ schnell einschätzen. Aber ich denke, wenn es jemand auf mich abgesehen hat, dann ist es halt so, dann klauen sie mir mein Handy und dann war es das.

Also extrem besorgt bin ich jetzt nicht. Aber klar, es kann immer was passieren. Von irgendwelchen Drogenkartell-Geschichten kriegt man normalerweise kaum etwas mit. Das findet irgendwo zwischen den Gangs statt. Aber klar, man hört dann natürlich irgendwie Stories, wie – in dem Einkaufszentrum gab es gestern eine Schießerei – oder sowas in der Art.

Es ist jetzt aber nie so gewesen, dass du dich unwohl gefühlt hast, du empfindest das Leben da schon als lebenswert?

Jan: Auf jeden Fall, ja. Man muss sich eben seine richtige Nachbarschaft aussuchen. Hier, wo wir leben, fühle ich mich sehr sicher. Morgens mache ich meinen Morgenspaziergang und denke, ja, ist doch schön hier, alles begrünt und schöne Parks und so. Und da fällt dann dieses Sicherheitsthema eigentlich komplett erst mal hinten runter – das ist nicht immer präsent.

„Auch wenn die Gespräche oft nicht tiefgehend sind, sind die Leute freundlich und man fühlt sich total wohl hier und willkommen.“

Was gefällt dir besonders an dem Land und den Menschen?

Jan: Was mir an dem Leben hier gefällt, ist mir gerade erst wieder bewusster geworden, als wir kürzlich in Japan für einen Honeymoon waren. Dort ist alles mega sicher, total sauber und ordentlich. Dort braucht man sich keine Sorgen zu machen, dass man überfallen wird. Mir fehlte dort allerdings irgendwie so dieses Persönliche oder diese Offenheit der Leute und das merke ich hier extrem, dass die Leute total freundlich sind. Sie kommen auf dich zu, fragen dich, woher du kommst. Da kommt man gleich ins Gespräch. Und auch wenn die Gespräche oft nicht tiefgehend sind, meist ist es eher oberflächlich, sind die Leute freundlich und man fühlt sich total wohl hier und willkommen. Das ist eigentlich so das, was ich am tollsten hier finde.

INTERVIEW Eroeffnung unseres ersten Ladens in GuadalajaraEröffnung unseres ersten Ladens in Guadalajara © Jan-Hendrik Stein

Ist vielleicht auch ein Vorteil, dass deine Frau Mexikanerin ist und somit der mexikanische Kulturkreis dadurch auch einfach schon Teil deines Lebens geworden ist?

Jan: Klar, über meine Frau und ihre Familie habe ich natürlich auch viele heimische Freundschaften und Bekanntschaften schließen können.

Dennoch ist es trotzdem schwierig für mich, so wirklich tiefe Beziehungen aufzubauen. Man braucht dann doch immer diese Expat-Bubble, also Freundschaften aus dem eigenen Land, weil man mit denen ganz andere Gespräche führt, ganz anders connectet. Ich habe hier also auch einige Freunde, die ebenfalls aus Deutschland kommen und hier leben.

„Man braucht dann doch immer diese Expat-Bubble, also Freundschaften aus dem eigenen Land, weil man mit denen ganz andere Gespräche führt.“

Generell würde ich sagen, dass es sehr einfach ist, Bekanntschaften aufzubauen oder Leute kennenzulernen. Aber dann wirklich tiefe Beziehungen aufbauen, tiefe Freundschaften, finde ich schwierig. Vielleicht mag das auch an mir liegen, was ich nicht wirklich glaube, sondern es ist einfach allgemein schwieriger, in die Tiefe zu gehen. Nett sind sie alle und man versteht sich auch, kann gut zusammen feiern und hat eine schöne Zeit, aber es geht irgendwie nicht so viel über das hinaus. 

Gibt es eine große Expat-Community, die speziell auch in Guadalajara lebt? 

Jan: Hier in Guadalajara gibt es sehr, sehr viele Expats. In einem Ort, der ist etwa eine Stunde entfernt ist, am Lago de Chapala, einem großen See, gibt es eine Rentner-Community, wie ich es nennen würde. Dort leben ganz viele kanadische und amerikanische Rentnerinnen und Rentner.

Aber hier in Guadalajara sind es dann eher die jüngeren Leute, viele digitale Nomaden, die von hier arbeiten und sich die Stadt als Homebase ausgesucht haben. Also es gibt schon viele Expats hier, mit denen man sich natürlich dann auch über WhatsApp-Gruppen, über Facebook-Gruppen und andere verbindet.

Mexiko bietet einiges an kultureller und landschaftlicher Vielfalt. Was sind denn deine Lieblingsorte?

Jan: Also Guadalajara ist auf jeden Fall mein Lieblingsort. Da komme ich auch immer gerne wieder zurück. Früher bin ich mega viel gereist und war dann oft drei, vier Wochen unterwegs. Mittlerweile mache ich eher kürzere Reisen und bin aber immer froh, dass ich dann wieder zurück in Guadalajara bin. Hier habe ich meine Routine, mein Gym, meine eigene Küche und so. Aber in Mexiko gibt es weitere tolle Orte zum Verreisen.

Ich bin sehr, sehr gerne in Playa del Carmen, also an der Riviera Maya, an der Karibikküste im Südosten Mexikos. Das ist eine beliebte Urlaubsregion, daher schon sehr touristisch, aber man kann es dort schon sehr genießen. Im Vergleich zu Cancun, was schon mehr eine Touristenhochburg mit Hotelburgen und Resorts ist, kann man sich am Playa del Carmen eher ein schönes Airbnb mieten und lebt dann einfach mitten in der Stadt. Ich finde es dort immer sehr schön. Man kann von dort aus Ausflüge machen, etwa zu den schönen Stränden.

INTERVIEW Disney Tokyo SeaDisney Tokyo Sea © Jan-Hendrik Stein

Wie reist du im Land? Fliegst du eher?

Jan: Nach Playa del Carmen sind es von uns aus schon circa 2,5 Stunden Flug. Es ist ganz am anderen Ende von Mexiko. Da fliegt man dann eher. Es gibt auch Fernbus-Verbindungen. Damit kann man auch ganz gemütlich fahren, aber nach Playa del Carmen wären das etwa 25 Stunden, das ist natürlich dann anstrengend. Da müsste man dreimal umsteigen oder so. Bahnverbindungen gibt es leider noch nicht in Mexiko. Also meistens für die langen Distanzen sind es dann Flüge. 

Von Guardalajara fährt man etwa dreieinhalb bis vier Stunden an die Pazifikküste. Dorthin fahren wir dann mit dem Auto. Ein schöner Ort ist Puerto Vallarta, einer der bekanntesten Badeorte Mexikos. Von dort aus kann man schöne Ausflüge auf kleine Inseln oder an ganz abgelegene Strände machen. Das mache ich immer gerne. Also Puerto Vallarta als Standort, wo ich übernachte, und dann mache ich von da immer Tagestouren zu den Stränden.

Ganz schön ist auch Mexiko-Stadt. Dort bin ich gerne. Da ist nochmal ein bisschen mehr los als in Guadalajara, es ist ein bisschen größer, obwohl Guadalajara inklusive des Ballungsraums fünf Millionen Einwohner hat. In Mexiko-Stadt findet man Top-Restaurants und kann ein bisschen mehr unternehmen. 

Das heißt, du machst meist Urlaub in Mexiko?

Jan: In Mexiko mache ich es meistens spontan. Wenn es passt, frage ich meine Frau, ob sie Lust hätte, in drei Monaten mal dieses oder jenes coole Hotel auszuprobieren, das ist dann irgendwo drei Stunden entfernt, dann sagen wir, ja okay und buchen es. Das ist dann meistens nur für ein paar Tage, weil es ja ziemlich einfach zu erreichen ist für uns.

Und für deine langen Urlaube fliegst du dann eher nach Deutschland?

Jan: Ich versuche einmal im Jahr nach Deutschland zu fliegen, um Familie und Freunde zu besuchen. Dort versuche ich alles unterzubringen: Kundenbesuche, Freunde, Familie besuchen, Freizeitaktivitäten machen, die dann auch auf der Liste stehen für meinen Blog. Also da habe ich dann nicht die Möglichkeit auch noch andere Sachen in Europa kennenzulernen, das ist dann meistens nur für drei Wochen in Deutschland und dann wieder zurück.

„Ich habe gesucht, was meine Leidenschaft wäre, über die ich gerne schreiben würde und das war dann eindeutig über Freizeitparks und Freizeitaktivitäten.“

Apropos Blog: Wie ist es zu lebegeil.de gekommen und was verbirgt sich eigentlich dahinter?

Jan: 2013/2014 habe ich intensiv nach Wegen gesucht, wie ich wieder nach Mexiko zurückkommen und online irgendwie Geld verdienen kann. Damals war das Thema Bloggen sehr präsent und das war irgendwie so das Einfachste, womit man starten konnte. Ich habe danach gesucht, was meine Leidenschaft wäre, über die ich gerne schreiben würde und das war dann eindeutig über Freizeitparks und Freizeitaktivitäten.

2014 kam dann das Thema Escape-­Rooms in Berlin immer mehr auf, da habe ich dann den einen oder anderen gespielt und darüber geschrieben. So habe ich einen Freizeitblog gestartet, aus dem dann später ein richtiges Business wurde. Jetzt ist es immer cool, wenn man zu den ganzen Sachen eingeladen wird, deswegen habe ich dann auch immer eine riesige Liste in Deutschland von Aktivitäten, die ich besuchen muss. Das schaffe ich natürlich gar nicht alles in drei Wochen zu machen, dann muss ich mich entscheiden, was jetzt von größtem Nutzen ist.

INTERVIEW In einem japanischen Garten in KyotoIn einem japanischen Garten in Kyoto © Jan-Hendrik Stein

War dein Blog Anlass dafür, auch als Freelancer für Facebook Ads durchzustarten?

Jan: Erstmal war das komplett unabhängig vom Blog. Das kam dann 2013, als ich mich umgeschaut hatte, wie ich selbständig online Geld verdienen könnte. Als ich im Winter in Berlin in meinem damaligen Büro saß, es war kalt und irgendwie habe ich mich da nicht wohl gefühlt, dachte ich, dass ich mit meinen Kunden, die ich jetzt in der Agentur habe, sowieso nur per E-Mail kommuniziere. Warum also muss ich dann hier sein und kann das nicht von zu Hause machen oder eben auch von Mexiko aus? Und dann dachte ich mir, hey, ich kann mir doch auch selbst Kunden holen und die dann von Mexiko aus betreuen und genau das gleiche anbieten. Über Freelancer-Plattformen wie Upwork habe ich mir dann die ersten Kunden geholt für Facebook-Ads oder Social-Media-Betreuung und dann sind da immer mehr dazugekommen. Das Ganze ist dann so gewachsen und es war gut zum Starten, weil der Blog natürlich am Anfang noch kein Geld eingebracht hat. Das kam dann erst so nach zwei bis drei Jahren, als dieser dann immer mehr gewachsen ist.

Und das hast du die ganze Zeit allein gemacht oder hattest du schon jemanden mit an Bord?

Jan: Erstmal habe ich alles alleine gemacht. Ich habe zuerst für eine Agentur gearbeitet und wirklich schnell auch Fulltime-Kunden betreut. Irgendwann habe ich den Schritt gemacht, dass ich mir selber meine eigenen Kunden gesucht, mir dann selber eine eigene Agentur aufgebaut und auch erstmal alleine eigene Kunden betreut habe.

Irgendwann habe ich dann mal einen Kunden ausgelagert an eine andere Freelancerin und gesehen, dass das super funktioniert. Jetzt musste ich nur mehr Kunden gewinnen und mir das so aufbauen, dass ich sozusagen die Akquise mache und mir dann jemanden hole, der die Kunden betreut.

So entstand dann in 2019 deine eigenen Marketing-Agentur lebegeil-media?

Jan: Genau, 2019 entstand die Agentur. Da habe ich mich dann komplett auf die Freizeitbranche konzentriert. Vorher hatte ich alle möglichen Kunden aus verschiedenen Branchen, die mich eigentlich gar nicht so sehr interessiert hatten. Ich hatte einen coolen Escape Room gespielt, habe bei dem dann einfach mal gefragt, ob sie nicht Betreuung brauchen bei Facebook-Ads und die haben dann direkt ja gesagt. Dann habe ich nach und nach immer mehr Freizeitkunden übernommen und die anderen Kunden abgestoßen.

Was ist denn das Besondere an deiner Agentur im Vergleich zu anderen Medien oder anderen Marketingagenturen?

Jan: Wir konzentrieren uns speziell auf Freizeitanbieter. Wir helfen ihnen dabei, mehr Gäste zu begeistern. Zudem sind wir in der Freizeitbranche gut vernetzt und wissen, was funktioniert und was nicht und konnten sehr viel Erfahrung sammeln in den letzten Jahren.

Und machst du auch schon was in Mexiko in diesem Bereich?

Jan: In Mexiko mache ich aktuell nichts. Der deutsche Markt ist noch so groß, dass ich da erst mal gesagt habe, ich mache nur Deutschland, Österreich und die Schweiz und irgendwann vielleicht auch mal Mexiko.

Und dann kam die COVID-19-Pandemie: Sicherlich nicht leicht, wenn man sich gerade ein Business aufgebaut hat. Wie hat sich dies auf dein Geschäft und den Freizeitmarkt ausgewirkt?

Jan: Das war natürlich katastrophal für den Blog und für die Agentur auch. Es hat keiner mehr nach Freizeitaktivitäten gesucht. Der Blog ist komplett in den Keller gerauscht. Die Agentur musste ich auch erst mal komplett pausieren, weil alle Freizeitanbieter natürlich schließen mussten. 

Meinen Kunden habe ich auch ganz flexibel gesagt, dass wir erst mal Pause machen und ich jetzt nicht darauf bestehen werde, irgendwie die Verträge weiterlaufen zu lassen. Das machte natürlich keinen Sinn.

„Das Schlimmste war die Ungewissheit.“

Da war ich dann froh, dass ich mir ein Polster aufgebaut hatte. Ich musste kreativ werden und habe dann zum Beispiel bei Udemy, einer E-Learning Plattform, so einen SEO-Kurs aufgenommen, um damit ein bisschen was dazu zu verdienen. Aber damit kam jetzt nicht sonderlich viel rein.

Das Schlimmste war diese Ungewissheit. Wann geht es denn weiter? Kann ich überhaupt irgendwann weitermachen oder werden die Kunden jetzt alle komplett pleite gehen und ich muss die Agentur schließen?

INTERVIEW Mexiko Themenbereich im PhantasialandMexiko Themenbereich im Phantasialand © Jan-Hendrik Stein

In Mexiko war es ein bisschen anders. Klar, da gab es auch die Maskenpflicht und so. Die Restaurants mussten auch erst mal schließen oder über Lieferservices wie Uber Eats funktionieren. Aber das ging dann relativ schnell hier. Nach ein/zwei Monaten war alles wieder offen und die Touristen sind natürlich auch weiter ins Land gekommen.

Mexiko lebt einfach auch extrem vom Tourismus. Deswegen hat der Präsident keine Einreisesperre für Touristen verhängt und daher war es dann auch ein Hotspot für die ganzen digitalen Nomaden, weil man hier einreisen konnte.

Du hast Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wie handhabst du den Zeitunterschied von sieben beziehungsweise acht Stunden?

Jan: Vorher gab es im Land selbst auch eine Zeitanpassung, die sogenannte Daylight Saving Time (Sommer- und Winterzeit), diese hat der Präsident hier allerdings vor zwei Jahren abgeschafft. Deswegen sind dann in der Sommerzeit immer acht Stunden Zeitverschiebung. Das geht eigentlich ganz gut mit den Kunden. Ich mache die ganzen Kundencalls immer so zwischen sieben und elf Uhr morgens mexikanischer Zeit. Danach kommt meist nichts mehr von Deutschland aus und ich habe dann Zeit, die ganzen Sachen abzuarbeiten.

Die Calls ab sieben Uhr morgens sind schon manchmal ein bisschen anstrengend, weil ich eigentlich gerne nach dem Aufstehen erstmal meine Morgenroutine habe. Für diese Tage muss ich dann darauf verzichten und gleich an den Laptop und den ersten Call machen. Ich mache aber auch „call-freie“ Tage, wo ich dann morgens gar nichts habe.

Mit deiner Frau führt ihr zudem ein lokales Business, meya design, das sich auf den Vertrieb von Premium-Vorhängen und -Markisen spezialisiert hat. Wie kam es zu diesem speziellen Branchenbereich?

Jan: Das ist immer eine gute Frage (lacht). Das kam auch während der Pandemie. Meine Frau hat als Unternehmensberaterin gearbeitet und betreute ein Unternehmen, das Jalousien hergestellt hat, für das sie die komplette Vorhangproduktion entwickelt hat, zu der dann noch die Markisenproduktion kam. Sie hat die ganzen Maschinen einfliegen lassen und das Geschäft komplett aufgebaut. Das ist echt Wahnsinn, was sie da gemacht hat. Und dann hat sie aber irgendwann gedacht: „Hey, diese Jalousien, die verkaufen sich so gut, warum mache ich das eigentlich nicht selber? “ Sie hat mich gefragt, ob ich nicht auch Bock darauf hätte und ich sagte: „Okay“.

Ich habe mich dann um das gesamte Marketing gekümmert, habe die Website aufgebaut und versucht, die ersten Kunden an Land zu bekommen. Sie machte den ganzen Rest des Unternehmens und so starteten wir dann in 2020. Seitdem hat sich das Ganze sehr gut entwickelt. Also sie hat keine Ahnung von dem, was ich mache (lacht). Und für mich wäre es auch schwierig, ihren Job zu machen, weil sie ja die mexikanische Kultur kennt. Sie weiß, wie sie mit unseren Mitarbeitern und mit den Lieferanten umgehen muss. Und wenn ich mitbekomme, wenn sie irgendwelche Probleme lösen muss, wäre das kein Job für mich. Und umgekehrt halt auch, wenn ich irgendwas von Marketingkampagnen erzähle, Google Ads oder so, dann hat sie da auch wenig Ahnung. Deswegen sind wir das perfekte Team dafür.

„Für mich wäre es schwierig ihren Job zu machen und umgekehrt auch. Deswegen sind wir das perfekte Team.“

War es kompliziert, euer Geschäft in Mexiko aufzubauen? 

Jan: Der Vorteil ist ganz klar, dass meine Frau Mexikanerin ist. Also läuft auch alles über sie. Ich bin sozusagen Marketingdienstleister für das Unternehmen. Also die beauftragte Agentur für das Unternehmensmarketing. Das ist bürokratisch natürlich um einiges einfacher, wenn man alles über eine Mexikanerin laufen lässt. Ich habe aber trotzdem hier auch mein Business angemeldet, da mein Lebensmittelpunkt ja hier ist.

Anfangs war ich als Tourist hier und dann irgendwann musste ich halt auch gucken, wie ich langfristig hierbleiben kann. Ich habe mir dann einen Anwalt geholt und wir haben uns alles an­geschaut und das für mich am besten passende System, wenn man so sagen will, herausgearbeitet.

Wie ist den gerade dein Aufent­haltsstatus? Hast du ein Visum?

Jan: Aktuell habe ich eine sogenannte Temporary Residency, also einen temporären Wohnsitz. Dafür muss man ein ausreichendes Einkommen nachweisen, welches ich über meine Agentur hatte. Im Oktober bekomme ich dann auch endlich meine Permanent Residency. Diese hätte ich eigentlich schon viel früher kriegen müssen, aber ich habe es immer wieder irgendwie verplant, das richtig zu machen und musste dann wieder neu starten. Man muss vier Jahre lang mit einem temporären Aufenthaltsvisum im Land gelebt haben, um ein Daueraufenthaltsvisum zu bekommen. Würde jetzt wahrscheinlich auch anders funktionieren, dadurch, dass wir jetzt verheiratet sind.

Also ist es generell nicht so schwierig, wenn man ein Business aufbauen oder anmelden möchte? 

Jan: Es kommt darauf an, würde ich sagen. Wenn man ein lokales Business aufbauen möchte, ist es wahrscheinlich schwieriger. Für sowas, was ich mache, haben sie hier eine ziemlich coole Regelung, wie man das eben sehr gut und leicht aufsetzen kann. Ein Anwalt kann einem da sehr gut bei helfen. Und genau deswegen wollte ich auch einen Anwalt, der mich da professionell berät. Ich wollte alles von Anfang an richtig machen, weil man auch, wenn man länger als 180 Tage in dem Land ist, Steuern zahlen muss. Ich habe auch von Anfang an gesagt, dass ich hier in Mexiko Steuern bezahlen möchte, auch wenn ich mein Geld im Ausland verdiene. Da wusste irgendwie kein Steuerberater, wie man das eigentlich richtig macht und ich habe deshalb einen Anwalt gefunden, der dann eine Struktur gefunden hat, wie man alles gut aufsetzen kann. 

Dazu würdest du anderen auch raten, das immer über so einen Weg zu machen?

Jan: Ja, genau! Man sollte sich wirklich gut beraten lassen. Wahrscheinlich auch von mehreren Stellen, weil nicht immer alle eine Ahnung haben. Also muss man sich schon mehrere Stimmen einholen. Und man fühlt sich natürlich auch wohl, wenn man dann wirklich auch hier die Steuern zahlt. Dann weiß man, es passt alles und da steht nicht irgendwann das Finanzamt vor der Tür.

Wie sieht dein typischer Arbeitstag aus, wenn du zwischen deinen beiden Unternehmen jonglierst?

Jan: Ich strukturiere das eigentlich immer nach Tagen. Montags mache ich immer was für beide Unternehmen, dienstags dann der Fokus nur auf meya design. Dann kann ich auch mal zu uns in den Laden rübergehen und bei den Mitarbeitern sein. Mittwoch ist dann komplett für meine Online-Agentur, donnerstags ist wieder gemischt. Freitags versuche ich immer etwas relaxter zu machen und weniger zu arbeiten und dann vielleicht eher einen Fortbildungstag zu machen, wo ich mir Online-Kurse angucke oder einfach in ein Café gehe und von dort aus arbeite, denn ich bin die meiste Zeit in der Woche bei mir zuhause im Homeoffice. Das wird dann auch manchmal ein bisschen langweilig und ich bin gerne mal unter Leuten.

Welche Pläne habt ihr für die Zukunft von meya design?

Jan: Ich habe am Anfang eigentlich gedacht, ich möchte niemals einen physischen Laden haben, damit ich immer unabhängig bin und reisen kann. Ich wollte eigentlich nie sesshaft werden, aber habe in den letzten Jahren gemerkt, dass diese Einstellung sich auch ändert. Jetzt merke ich, wie wichtig so eine Homebase ist, wie wichtig ein Standort ist, wo man einen Freundeskreis und seinen Alltag hat.

„Ich wollte eigentlich nie sesshaft werden, aber habe in den letzten Jahren gemerkt, dass diese Einstellung sich auch ändert.“

INTERVIEW Bei der Kirschbluete in JapanBei der Kirschblüte in Japan © Jan-Hendrik SteinDeswegen haben wir dann vor zweieinhalb Jahren den ersten Store eröffnet hier in Guadalajara. Dann kam letztes Jahr noch ein weiterer hier dazu und dann in Mexiko Stadt. Gerade haben wir einen weiteren in Querétaro eröffnet. Also sind es dann schon vier Läden. Meine Frau hat aber das Ziel, insgesamt zehn Läden zu eröffnen.

Welche kulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und Mexiko sind dir aufgefallen in deiner Zeit im Land?

Jan: Im Alltag merke ich es immer wieder, dass die Mexikaner sehr empfindlich sind, wie man mit ihnen spricht. Also sie sind meist schnell beleidigt. In Deutschland ist man da viel direkter. Hier ist das nicht immer eine gute Idee. Da muss man es schon bewusster formulieren. Ich weiß dann meist schon, wie ich in Situationen Sachen formulieren sollte, damit ich den Leuten nicht zu nahetrete. Also das fällt stark auf im Alltag, dass man halt wirklich vorsichtig sein muss, wie man mit den Leuten spricht.

Auch beim Thema Humor muss man manchmal aufpassen. Manchmal bringen wir Deutsche ja auch irgendwelche Sprüche oder haben viel schwarzen Humor. Das kommt hier oft nicht so gut an, beziehungsweise muss ich es teilweise dann immer erklären, wie ich das gerade gemeint habe. Vor allem, wenn ich so einen Scherz mache und die meisten gar nicht damit rechnen, dass ich in der Sprache so bewandt bin. Dann merke ich schon, wenn mein Gegenüber das nicht merkt, dass es ein Scherz war. Das sage ich dann lieber nochmal dazu.

Was würdest du jemandem raten, der überlegt, nach Mexiko auszuwandern?

Jan: Auf jeden Fall ist es ganz, ganz wichtig, dass man einen gewissen Kontostand hat, also dass man sich vorher wirklich einen Puffer anspart. Auch wenn man diesen vielleicht gar nicht in Anspruch nehmen muss, weil alles prima läuft, gibt es einem doch eine Sicherheit.

„Man hat einfach viel mehr Möglichkeiten, wenn man die Sprache gut beherrscht.“

Auch das Thema Sprache finde ich wichtig. Ich denke, man kommt hier mit Englisch schon irgendwie durch. Aber es ist so wie wenn ich auf Reisen bin in Ländern wie Japan oder auch in Thailand, dass ich mich mit den Basics verständigen kann. Aber das war es dann auch schon. Wenn man die Sprache im Land nicht spricht, kann man kaum Freundschaften knüpfen oder es ist schwieriger und man kann dann eben nur mit bestimmten Leuten Kontakte oder auch Freundschaften schließen, die dann perfekt Englisch sprechen.

Man hat einfach viel mehr Möglichkeiten, wenn man die Sprache gut beherrscht und fühlt sich dort dann auch viel wohler und kann sich auch viel besser connecten.

Wie sieht es bei dir mit dem Thema Krankenversicherung im Ausland aus?

Jan: Ich bin seit einigen Jahren beim BDAE versichert. Das war mir auch wichtig damals, gut abgesichert zu sein. Ich habe es schon einige Male in Anspruch genommen und es funktioniert auch wirklich sehr, sehr gut. Ich kann hier einfach zum Arzt gehen und dann sammle ich meine Rechnungen über das Jahr.

Ich hätte mich auch hier vor Ort versichern können, aber in Mexiko gibt es keine Versicherung, oder zumindest nicht, dass ich wüsste, bei der man unter anderem auch Arztbesuche bezahlt bekommt. Hier gibt es die Versicherung „Gastos Medicos Mayores“, die zum Beispiel für Kosten im Krankenhaus aufkommen, aber für Arztbesuche an sich eben nicht.

Wie sieht es generell mit der medi­zinischen Versorgung in Mexiko aus?

Jan: Die medizinische Versorgung hier in Mexiko ist mega gut. Man ist hier, wenn man so wie ich jetzt über den BDAE versichert ist, ja privat versichert. Dadurch hat man keine großen Wartezeiten bei einer Behandlung. Das läuft problemlos: Du suchst dir einen Kontakt vom Arzt raus, machst einen Termin für morgen und dann hast du deinen Termin auch. Egal, ob es jetzt ein Psychologe oder ein Zahnarzt ist, du hast sofort einen Termin und wirst super behandelt. Auch die Krankenhäuser sind sehr modern, sodass man sich sehr sicher fühlen kann. 

Über Jan-Hendrik Stein

Jan-Hendrik Stein lebt seit 2015 in Guadalajara, Mexiko. Er liebt Freizeitaktivitäten und hat schon unzählige Dinge ausprobiert, über die er in seinem Blog lebegeil.de schreibt. Daraus entstand seine Online-Marketing-Agentur lebegeil media, die sich auf Freizeitaktivitäten und Freizeitparks spezialisiert hat und Kundinnen und Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz betreut. Zusammen mit seiner Frau hat er 2020 ein eigenes Geschäft in Guadalajara gegründet, das stetig wächst.

Dieser Beitrag stammt aus der Ausgabe August 2024 des Journals "Leben und Arbeiten im Ausland".

Das Journal erscheint monatlich kostenlos mit vielen informativen Beiträgen zu Auslandsthemen.

Herausgegeben wird es vom BDAE, dem Experten für die Absicherung im Ausland.